Bubble Boy, Berlin Patient und Schmetterlingskind

Stand:

Juli 2020

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Einige Beispiele von Stammzelltherapien haben Geschichte geschrieben: Die Heilung des an X-SCID erkrankten Jack Crick, die Heilung des Berlin Patient, der mit Hilfe von Stammzellen sowohl HIV als auch Leukämie entkam und die Geschichte des jungen Hassan, der mit großflächigen Hauttransplantationen von der Schmetterlingskrankheit befreit wurde. Diese Patientengeschichten sind interessant vor dem Hintergrund, dass sie das zukünftige Potenzial und die damit verbundene Hoffnung in Stammzelltherapie verkörpern - aber noch die Ausnahmesituation darstellen.

Patient Jack Crick


2004 geboren im Mai
2004 Die Diagnose X-SCID wird im September gestellt. Die Suche nach einem geeigneten Knochenmarkspender bleibt erfolglos. Die Behandlung durch eine Gentherapie mit patienteneigenen Blutstammzellen ist erfolgreich, selbst ohne Chemotherapie.
2011 Patient ist seither ohne Symptome.

Behandelnder Arzt
Bobby Gaspar, Great Osmond Street Hospital, London

X-SCID
SCID steht für „schwerer kombinierter Immundefekt“;
Schwächung des Immunsystems durch das Fehlen oder die fehlende Funktion von Lymphozyten; Mutationen in der Erbinformation (DNA) verursachen die Störung der T-Zellen-Entwicklung. Das Immunsystem der Patienten kommt nicht mit den Erregern in unserer normalen Umwelt zurecht und die betroffenen Kinder müssen daher in einer sterilen Umgebung leben.

Therapie
Entnahme von hämatopoetischen Stammzellen (CD34-positiv); Einfügen des defekten Gens in gesunder Form mit Hilfe eines retroviralen Vektors (aus dem Maus-Leukämievirus) im Reagenzglas; Stammzellen werden an den Patienten zurückgegeben.
Vorteile: Einsatz eigener statt fremder Zellen; geringe Abstoßungs- oder Unverträglichkeitsgefahr; kein passender Spender notwendig.

Diskussion
Das Einschleusen eines neuen Gens kann zu Veränderungen in den Eigenschaften der Zellen oder zu Entartungen (Krebs) führen. Es gab Fälle, in denen Patienten eine Leukämie entwickelt haben. Auslöser scheint der retrovirale Vektor zu sein. Geforscht wird zum Beispiel am Einsatz neuerer HIV-abgeleiteter lentiviraler Vektoren, die ein wesentlich besseres Sicherheitsprofil aufweisen. 

Suchbegriffe: Bubble Boy, David Vetter, Jameson Golliday

Patient Timothy Ray Brown

1966 in Seattle, USA geboren 
1995 Diagnose: HIV positiv
bis 2006 Behandlung durch hochaktive antiretrovirale Therapie (HAART): 600 mg Efavirenz, 200 mg Emtricitabine und 300 mg Tenofovir
2006 Diagnose akuter myeloischer Leukämie (AML); Behandlung durch Chemotherapie
2007 Behandlung durch allogene Stammzelltransplantation eines Spenders mit einer Mutation im Zelloberflächenrezeptor CCR5. Die Mutation verhindert, dass das HI-Virus in die Zellen eindringen kann.
seit 2007 HI-Virus nicht mehr in gängigen Verfahren nachweisbar
2008 erneuter Leukämie-Befund; zweite Stammzelltransplantation (gleicher Spender)
seit 2008 HI-Virus in gängigen Verfahren nicht nachweisbar; Leukämiebehandlung erfolgreich; Befund neurologischer Störungen.
09/2020 Timothy Ray Brown stirbt an einem erneuten Auftreten der Leukämie.  

HLA-Typ: B57

Behandelnder Arzt
Dr. Gero Hütter, Benjamin-Franklin-Klinikum Charité Berlin (bis 2009)

Knochenmarkspender
HLA-Typ: B57
Mutation: Delta 32 auf dem Rezeptor CCR5

Therapie
Transplantation allogener Stammzelltransplantation eines Spenders mit einer Mutation im Zelloberflächenrezeptor CCR5. Die Mutation verhindert, dass das HI-Virus in die Zellen eindringen kann.

Diskussion
Unklar ist, ob dieser Einzelfall reproduzierbar ist. Das Verfahren ist sehr kostspielig.
2012 untersucht Steven Yukl (University of California, San Francisco) neun Milliarden Blutzellen des Patienten durch Polymerase-Kettenreaktion (PCR). Er findet nach mehreren Versuchen Bruchstücke des Virus-Erbguts im Blutplasma. 
Douglas Richman (University of California, San Diego) führt ebenfalls Blutuntersuchungen durch und findet keine Rückstände. Er hält Verunreinigungen beim Yukl-Test für möglich, zudem sei PCR höchstempfindlich und fehleranfällig. 

Suchbegriffe: The Berlin Patient, Mississippi Baby, The London Patient

 

Patient Hassan

2008 geboren, 7 Jahre alt bei Therapiebeginn
2015 Infektion und chronische Wunden der Haut nach der Flcuht aus Syrien nach Deutschland aufgrund eine genetischen Erkrankung Epidermolysis bullosa
2015-2016 Transplantation von 80 Prozent der Hautoberfläche. Der Patient ist seither weitgehend beschwerdefrei 


Behandelnde Ärzte:
Tobias Rothoeft, Kinderklinik Bochum
Tobias Hirsch, Universitätsklinikum Bergmannsheil (Plastischer Chirurg)
Michele De Luca, Center for Regenerative Medicine der Universität Modena (Stammzellforscher)


Epidermolysis bullosa
Epidermolysis bullosa ist eine Erbkrankheit. Die betroffenen Kinder werden auch als Schmetterlingskinder bezeichnet, weil ihre Haut so empfindlich ist wie die Flügel von Schmetterlingen. Das liegt daran, dass die obere Hautschicht, die Epidermis, nur unzureichend in der darunterliegenden Hautschicht, der Dermis, verankert ist. Bei den Erkrankten ist das LAMB3 Gen fehlerhaft, welches das Protein Laminin-332 bildet.

 

Therapie
Einige Hautzellen des Jungen wurden zur Hautzüchtung an die italienischen Experten in Modena geschickt. Diese schleusten sie ein gesundes LAMB3 Gen mit Hilfe von sogenannten retroviralen Vektoren in die Hautzellen ein. Dabei handelt es sich um gezielt für den Gentransport veränderte Viruspartikel. Die in dem Hautstück enthaltenen genmodifizierten Stammzellen wurden anschließend in einem Reinraumlabor weitergezüchtet, so dass dann zu großen Hauttransplantate entstanden. In Deutschland transplantierten die Wissenschaftler dann das nachgezüchtete Gewebe in zunächst drei Operationen. Insgesamt ersetzten sie 80 Prozent von Hassans Haut.
Diese neue Haut enthält etwa so viel Anker-Protein Laminin-322 wie gesunde Haut.


Diskussion
Europaweit sind etwa 35.000 Kinder von der Schmetterlingskrankheit betroffen. Die Schwere der Erkrankung ist sehr unterschiedlich. Eine Therapie, die die Ursache behebt, gibt es bislang nicht. Grundsätzlich besteht bei der Gentherapien allerdings auch das Risiko, dass sich das neue Gen an einer ungünstigen Stelle im Erbgut integriert. Dadurch können Regulationsprozesse in der Zelle gestört werden und Krebserkrankungen können die Folge sein.

Hassans Behandlung war riskant und aufwändig. Gerechtfertigt wurde sie durch die Schwere des Leidens und die Aussichtslosigkeit auf eine Linderung durch anderer Therapieformen.

 

 

Suchbegriffe: Patient Hassan, Schmetterlingskrankheit

 

 


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Grundlagen
Einführung und Überblick zur Stammzellforschung

 

Ethik
Informationen und Denkansätze für eine eigenständige Meinungsbildung

 

Genetik
Informationen zu (epi-)genetischen Veränderungen im Erbgut